Otterwisch
Gellert an Johann Adolph Schlegel 16. November 1759
Hinter den 7 Bergen, doch nicht bei den 7 Zwergen, liegt Otterwisch in der Nähe von 13 Hügelgräbern. Diese wird Gellert in seiner Bedeutung nicht erkannt haben. Von Weitem sah er die Kirche mit ihrem schiefen Turm, der ins Ortszentrum lockt. Das Pfarrhaus war um 1700 neu erbaut worden, sodass Gellert den Geist des Ortspfarrers und Dichters geistlicher Lieder, Salomon Liskow bzw. Liscovius (1640–1689), nicht unmittelbar umwehte. Vielleicht aber hat er die heute nicht mehr existierende 1000-jährige Raben- oder Kräheneiche bestaunt, die Liskow besungen hat: »Allhier zu Otterwisch, im Grimmschen gelegen, an einem schlechten Ort, des Ansehens wegen, zeigt sich ein Eichenbaum, den man von weitem spürt, und seinen Namen her von Raben führt …«. Das benachbarte Waldgebiet Buchholz und vor allem der herrschaftliche Garten imponierten Gellert zweifellos. Gräfin Rahel Charlotte Vitzthum von Eckstädt hatte bis 1730 ein barockes Schloss bauen lassen und mit der Gartengestaltung größte Aufmerksamkeit erregt. Pfarrer Erasmus Herbst beschrieb die Anlage, ausgestattet mit einem Schießgarten, einem japanischen Revier, einem Wasserstück, selbst einem Poetengang, 1741 als: »Copie en miniature des Gartens von Versailles«.
Gellert, der das gräfliche Paar sehr schätzte, wollte den Bruder seines Freundes Johann Adolf Schlegel als Pfarrer nach Otterwisch empfehlen: »Der Geheimderath, wenn er zugegen ist, läßt seinen Geistlichen mit sich u. seiner Gemahlinn speisen, und beide wünschen sich also einen gesitteten und gesellschaftlichen Mann.« Doch letztlich erhielt ein anderer das Amt. Einige Jahre später, 1766, lehnte Gellert neue Empfehlungen mit der Begründung ab, dass der Graf einen »schwer zu befriedigenden Geschmack« habe. Die Otterwischer Kirche ist um 1900 umgebaut, der vom Einsturz bedrohte Glockenturm im 20. Jahrhundert gerettet worden, das Pfarrhaus aber in seiner alten Bauform erhalten geblieben.